Die Spielothek Merkur in der Viehofer Straße wird gerne besucht. Die Menschen, die hier ihr Glück versuchen, sind sehr unterschiedlich, genauso wie die Fußgänger da draußen in Kreuzeskirchviertel sehr unterschiedlich sind. Für Anjuta Pauli sind das Kunden und sie nimmt jeden an, so wie er ist, bleibt immer freundlich und ruhig.
Und überhaupt ist Anjuta ein sehr geduldiger und optimistischer Mensch. Vielleicht verdankt sie diese Eigenschaften ihren Jahren im russischen Archangelsk, wo sie als kleines Kind viele kalte und sehr lange Nächte erlebt hat. Die hat sie gar nicht so schlimm gefunden: Es gab ja warme Klamotten und viel Schnee machte so viel Spaß. Mit dem Sommer kamen die weißen Nächte, fraßen die Dunkelheit auf, es blieb fast nichts von ihr übrig, nur ein paar Stunden vielleicht.
Anjuta kommt aus Bulgarien. Mit drei Jahren kommt sie nach Russland, wo ihre Eltern gemäß Arbeitsvertrag fünf Jahre lang arbeiten. Eingeschult wird sie bereits in der Heimat. Mit 18 verliebt sie sich in einen deutschen Mann und kommt mit ihm 1986 in die BRD. Hier erlebt sie erst einen Kulturschock. Die Lebensmittelgeschäfte mit ihrem Sortiment erscheinen ihr nach dem Leben im Ostblock üppig, fast paradox – ganz zu schweigen von den Modeboutiquen.
Es gibt noch so gut wie keine Deutschkurse für Ausländer. Die Sprache lernt Anjuta selbstständig. Da sie noch keine Arbeitserlaubnis hat, hat sie genug Zeit und sie übt fleißig zu Hause, hört Radio, sieht fern.
Drei Jahre später kommt ihr Sohn auf die Welt und als er ein bisschen größer wird, kann Anjuta ihr Deutsch in Gesprächen mit anderen Müttern am Sandkasten verbessern.
Ihren ersten Job findet Anjuta Pauli in einer kleinen Kunststofffabrik. Die Fließbandarbeit ist nicht ihr Traumjob, aber sie ist zufrieden und bleibt hier für zehn Jahre.
Dann fängt sie bei einer kleinen Spielothek in Gelsenkirchen an und wechselt viele Jahre später zu Merkur, wo sie seitdem in mehreren Filialen erst als einfache Angestellte, dann als Teamleiterin arbeitet und zur Filialleiterin aufsteigt. Kommunikation mit unterschiedlichen Menschen macht ihr besonders viel Spaß – mit ihrer Geduld und Freundlichkeit kommt sie mit jedem zurecht.
Das Kreuzeskirchviertel kennt Anjuta seit drei Jahren, doch hier hat sie schnell Kontakt zur Nachbarschaft geknüpft, und es kommt ihr so vor, als ob sie in der Viehofer Straße bereits seit einer Ewigkeit arbeitet.
(Text und Bild von Agentur Kucherskyy "Special Content" - mit ganz besonderem Dank an Yevgeniy Kucherskyy für die wunderbare Zusammenarbeit.)