Silvia Secen

Silvia Secen

Die Rottstraße ist ein lebendiges Stück des Essener Kreuzeskirchviertels. Hier herrscht ein reger Verkehr, eine bunte Mischung verschiedener Interessen, Vorhaben, Sorgen. Die Gehwege sind nicht besonders breit und es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie die Grüne Quelle übersehen, zwischen dicht geparkten Autos und Schaufenster, vom Fußgängerstrom mitgetragen.

Die Grüne Quelle ist auf Laufkundschaft nicht angewiesen – sie lebt von Stammgästen. Viele verkehren hier seit zwanzig, dreißig Jahren, manche seit dem Tag der Eröffnung. Für die Besitzerin Silvia Secen sind sie längst mehr als Freunde. “Wir sind wie eine große Familie“, sagt sie zufrieden.

Silvia kommt aus Slowenien. Mit 21 reist sie nach Deutschland, um ihre Tante in Essen zu besuchen und kann nicht wissen, welche Kette von Ereignissen dieser Besuch auslöst. Durch Zufall lernt sie hier einen Landsmann kennen, der auch als Gast kommt, und verliebt sich. Sie heiraten. Ein paar Wochen später bekommt das junge Paar ein unerwartetes Angebot aus dem Bekanntenkreis, eine Gaststätte zu übernehmen. Als die beiden zustimmen, denken sie an eine Übergangslösung für ein paar Jahre. Nun sind daraus bereits 41 Jahre geworden, lächelt Silvia nachdenklich.

In der 70ern läuft es sehr gut. Silvia und ihr Lebensgefährte wechseln sich in zwei Schichten ab, beschäftigen noch zwei Mitarbeiter als Bedienung. Jahre später wird es ruhiger, doch die Kneipe ist stets gut besucht, der Kundenstamm ist gesichert. Auch der ein oder andere Prominente ist in dem Lokal ab und zu anzutreffen.  

Dann erkrankt Silvia an Krebs und ist zwei lange Jahre nicht im Geschäft. Damit es mit der Gaststätte weiter geht, übernimmt ihr Mann die ganze Arbeit. Der gemeinsame Sohn und er unterstützen Silvia, wo sie nur können – das Leben geht weiter.

Und das tut es auch Jahre später, als Silvias Liebster verstirbt. Zuerst weiß sie nicht mehr weiter, ihre Selbstständigkeit steht auf der Kippe.

In solchen Momenten braucht man Freunde, doch es unterstützt einen nichts mehr, als selbst gebraucht zu werden.
Silvia Secen wird hier, hinter ihrer Theke, sehr gebraucht. Auch heute ist daran nichts geändert, so wie die Einrichtung der Kneipe sich seit dem ersten Tag nicht geändert hat. Man kommt hierher, um sich auszutauschen, um zu feiern und zu trauern, vielleicht auch manchmal, um einfach zu schweigen.

(Text und Bild von Agentur Kucherskyy "Special Content" - mit ganz besonderem Dank an Yevgeniy Kucherskyy für die wunderbare Zusammenarbeit.)
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